Es ist genau ein Jahr her, dass ich zuletzt etwas in diesem, meinem arg verwaisten Blog veröffentlicht habe.
Heute nun reicht meine Verwirrung aus, um es doch wieder einmal zu tun. Denn zum Warntag 2020 gibt es deutlich mehr zu sagen, als ich auf Facebook oder Twitter in einer „vernünftigen Form“ sagen könnte. Here we go……….

Es war einmal………..
……..eine Zeit, da wurde die Republik in Katastrophenfällen durch Sirenenalarm gewarnt.
Das sich das offenbar deutlich verändert hat, ist an mir völlig vorbei gegangen. Und ich vermute, ich bin da nicht die einzige Person.
Als vor einigen Tagen überall zu lesen war, dass es am Donnerstag, dem 10. September 2020 einen bundesweiten „Warntag 2020“ geben würde, und dass sich bitte niemand erschrecken möge wenn zwischen elf und zwölf Uhr bundesweit Sirenen zu hören seien, dachte ich „Achso, okay. Das ist dann so wie die bekannten Probealarme im Quartal, wo die Feuerwehrsirenen auf ihre Funktion getestet werden, nur eben bundesweit.“
Zusätzlich sollte ja auch die Warnapp NINA, (die ich nicht habe) sowie Funk und Fernsehen auf diesen Probetag reagieren. Also nahm ich mir vor nicht zu erschrecken und zu denken, dass in der Nähe irgend ein AKW Schaden genommen hätte, sondern ruhig zu bleiben und mich zu freuen, dass wir uns auf unsere Alarmsysteme und den Katastrophenschutz verlassen können. Das TV oder Radio schaltete ich nicht ein, da ich das eher selten tue und ich den Alarm in meinem „ganz normalen, ruhigen Alltag“ hören wollte.
Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Ausnahmsweise hatte ich bis fast zehn Uhr geschlafen, und gegen elf saß ich mit meinem ersten Kaffee vor dem Rechner um meine „Twitter Morgenzeitung“ zu lesen. Den Warntag hatte ich dabei gar nicht mehr im Hinterkopf.
Der Hashtag trendete, und erst dadurch fiel mir wieder ein, dass es ja just in dem Moment so weit war. Sein sollte? Wäre?
Es herrschte Stille. Totenstille. Ein paar Vögel. Das Rauschen meiner PC Lüftung. Sonst nichts.
Allerdings gibt es hier in meinem unterfränkischen Dorf in dem ich (noch) wohne funktionierende Sirenen. Das weiss ich daher, dass sie bei Feueralarm die Feuerwehrleute zur Feuerwache rufen.
Also begann ich die Tweets zu lesen und stellte fest, dass die wenigsten Zwitscherer von hörbaren Sirenen twitterten. Die Mehrheit befand sich in der gleichen Stille wie ich.
Stirnrunzeln. Verwirrung. ???

Zur Hilfe kam mir der Umstand, dass ich einen Umzug zurück in meine Geburtsstadt Trier plane. Daher folge ich der Stadt Trier auch auf Twitter.
Dort hatte sie schon einige Zeit zuvor sehr transparent erklärt, warum in Trier am Warntag keine Sirenen zu hören sein würden. Die Stadt Trier hat Sirenen nämlich abgeschafft.
Aber auch das warf Fragen auf. Wie würde man denn dann die Bevölkerung warnen? Ich hatte nachgefragt und die Stadt antwortete mir, dass man auf mobile Lautsprecher, vorwiegend über Feuerwehrfahrzeuge, umgestiegen sei. Die würden im Katastrophenfall die Bevölkerung warnen. Auf meine Frage warum die Stadt diesen Schritt vollzogen hatte, gab sie mir folgende Antwort:
„Warum die nach dem Ende des Kalten Krieges abgebaut wurden, kann ich nicht sagen, Zivilschutz ist ja auch Bundessache. Ersetzt wurden sie durch Mowas: https://bbk.bund.de/DE/AufgabenundAusstattung/Krisenmanagement/WarnungderBevoelkerung/MoWaS/ModularesWarnsystem_node.html… „
So weit, so gut. Also keine Sirenen in Trier, sondern die Trierer Feuerwehr und das MoWaS System.
Aber ich befinde mich ja immer noch in Unterfranken, und hier im Dorf hatte ich sie erwartet, die Sirenen. Nichts.
Dann fiel mir ein das die Antwort aus Trier ja möglicherweise auch bedeutet, dass Katastrophenwarnungen inzwischen Sache der Städte/Kommunen sind, und nicht mehr Sache des Bundes. Warum sollte dann aber der Bund einen bundesweiten Warntag ausrufen?
Fragen über Fragen.
Da ich der Stadt Trier vertaue, und mich über ihre Transparenz freue, besuchte ich sie auf Twitter erneut um ein wenig Klarheit zu finden. Dort erfuhr ich, Zitat:
„Der Probealarm wurde zentral vom @BBK_Bund ausgelöst, die das Mowas-System betreiben, nicht von uns. In einem echten Notfall hättest du von unserer Feuerwehr gehört, wie in den letzten Monaten mehrfach erprobt.“
ehm okay. Aber sagtet Ihr mir nicht vor einigen Tagen, dass Trier die Sirenen durch genau dieses „Mowas-System“ ersetzt hätte? Und wieso war es dann heute still in Trier? (und so vielen anderen Orten die vermutlich auch an diesem System hängen?“)
Offenbar gab es, wenn ich Trier richtig interpretiert habe, die Anweisung, (da es ja nur ein Probealarm von Mowas war), NICHT per Feuwehr und Lautsprecher zu warnen weil die ja nicht zum MOWAS System gehören.
Dieses MOWAS ist genau das System des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, welches auch die NINA App enthält, die wenn man Twitter glaubt, die meisten User ebenfalls nicht warnte, oder wenn sie warnte dann zumindest nicht per Push. (was natürlich an den Handy Einstellungen der entsprechenden User gelegen haben könnte).
(Hier noch einmal der MoWaS Link für alle die sich gerne anschauen wie das funktionieren soll.)
Ich danke der Stadt Trier wirklich sehr für ihre Transparenz und Aufklärung, ohne die ich immer noch völlig ratlos hier säße, und keinen Schimmer davon hätte das sich das Katastrophenwarnsystem seit dem Ende des kalten Krieges in Deutschland total verändert hat. ABER:
Das Ganze macht mich sehr, sehr nachdenklich. Hier meine Gedanken dazu:
Erstens – Twitter ist keine rein deutsche Platform, und somit, und weil der Warntag2020 Hashtag trendet, wird man überall in der Welt nun lesen können, dass die Deutschen mal wieder unterinformiert waren und völlig verwirrt in ihrem Land sitzen weil ein „bundesweiter Warntag“ mehr Fragezeichen aufwarf als er probegewarnt hätte.
Und wäre ich ein Comic Zeichner, würde ich ein Bürogebäude mit dem Firmenschild „Terrorists, Dictators & Co. Inc.“ zeichnen, aus dem eine Sprechblase mit einem begeisterten „Oh habt Ihr gesehen? Das Warnsystem in Deutschland funktioniert nicht, lasst uns ein deutsches AKW niederbomben!“ kommt.
Nochmal in aller Deutlichkeit: Ich behaupte nicht, das unser Warnsystem nicht funktioniert. Ich weiss zu wenig um das zu beurteilen. Fakt ist aber, dass ganz Deutschland heute den Eindruck bekommen haben könnte, dass es eben NICHT funktioniert. Und das finde ich ziemlich übel. Weil es die ohnehin schon viel zu verwirrten Individuen/Schwurbler/Verschwörungstheoretiker in Deutschland noch viel mehr verwirrt und ihre „Der Staat schützt uns nicht“-Prämisse verstärkt!
Ironie Modus an: Ich warte förmlich auf das dazugehörige Video von Attila Hildmann…….Ironie Modus aus.
Zweitens – ich finde es sehr bedauerlich, dass Katastrophenwarnsysteme inzwischen heimlich still und leise auch Sache der Städte und Kommunen geworden sind, der uns eingeimpfte Gedanke „im Katastrophenfall hörst du Sirenen“ nicht mehr gilt, und die breite Mehrheit im Land darüber gar nicht informiert ist. Das bestärkt wiederum das Gefühl beim Bürger „die wursteln da oben vor sich hin aber niemand sagt uns was Sache ist.“
Mangelnde Transparenz ist ein No-Go für eine Regierung, und was Katastrophenschutz angeht ist die Information des Bürgers m.E. erste Pflicht!
Drittens – Wenn der Bund einen bundesweiten #Warntag2020 ankündigt, sollte auch bundesweit gewarnt werden. Und zwar HÖRBAR! In diesem Falle hätte ich mir gewünscht, dass mangels Sirenen an den Orten die auf die MOWAS umgeschwenkt haben, die örtlichen MOWAS unabhängigen Warnmechanismen (wie eben von Trier so schön erklärt: Feuerwehr mit Lautsprechern o. ä.) ebenfalls mobilisiert werden.
Einfach deshalb damit sich der Bürger ein Bild davon machen kann was im Ernstfall alles geschieht und wie er reagieren kann. Und er sich so geschützt fühlt.
Seit heute haben sicher viele den Eindruck „aha, Katastrophe und ich kriege nix mit.“
Vielen Dank dafür, Deutschland!
Und viertens – frage ich mich, wie man heutzutage Bürger auf einen „einfachen und jedem bekannten“ Warntrigger einschwören soll, wenn es überall anders gehandhabt wird. Natürlich wird die Welt komplexer. Mit jedem Tag ein Stück, aber Warnsysteme komplexer und unterschiedlicher zu machen, macht m.E. Null Sinn.
Im Gegenteil. Je unübersichtlicher die Welt wird, um so wichtiger wäre es, Warnsysteme einheitlich und übersichtlich zu gestalten.
Denn umsomehr wächst die allgemeine Verunsicherung in der Bevölkerung sowieso. Was wir momentan jedes Wochenende auf allen möglichen Demos hervorragend beobachten können.
Ein digitales Warnsystem macht in einem Land, das digital derart hinterher hinkt wie Deutschland, einfach keinen Sinn. Und funktioniert offenbar auch nicht, wie sich heute gezeigt hat.
Warum also nicht bei normalem Sirenenalarm bleiben, wir vor dem Ende des kalten Krieges? Hat doch immer funktioniert! Allerdings……..klar, wenn viele Städte und Kommunen so wie Trier ihre Sirenen bereits abgebaut haben……..tja.
Und wie ich heute erfahren durfte stehen die Sirenensignale auch nicht mehr in den Schulen auf dem Lehrplan. Ein Millennium Kid könnte also nicht einmal normalen Feueralarm von einem Katastrophenalarm per Sirene unterscheiden. Das ist arm, sehr arm!
Mein Fazit: Es wäre dringend nötig, das sich das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe möglichst zeitnah an die Bürger wendet, und ihnen erklärt was genau heute geschehen ist, warum vielerorts nichts zu hören war, und last not least warum ihre App NINA teilweise nicht funktioniert hat.
Um die heute generierte Verwirrung wieder aufzuheben, und den Deutschen das Gefühl geschützt zu sein indem sie im Notfalle effektiv gewarnt werden, zurück zu geben!
Denn augenblicklich wäre wohl das Abwerfen von Warn-Pylonen über dem Land deutlich effektiver gewesen.
